Einträge in Ratsfraktion
Jahresrückblick Teil 2: Johannes Schmalen

Gerade jetzt im Winter denken wir oft an Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben. Die bei kaltem und nassem Wetter auf unsere Hilfe angewiesen sind. Wir sind daher ganz besonders in diesen Tagen froh, dass wir bereits im Frühjahr ein neues Angebot für wohnungslose Menschen in der Ernst-Rein-Straße geschaffen haben. Wir haben die ehemalige Flüchtlingsunterkunft, bestehend aus drei Häusern aus Wohncontainern, zu einer Unterkunft für wohnungslose Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten umgestaltet.

Bestandteile dieser Unterkunft sind das Sleep-In sowie die alternative Unterkunft. Der „Sleep-In“ dient der kurzzeitigen Deckung von Unterbringungsbedarfen sowohl zur Nacht als auch zur Tagzeit. Im Übernachterbereich des „Sleep-In“ werden die EU-Zuwanderer ohne Transferleistungsansprüche sowie zuwandernde Wohnungslose aus anderen Gemeinden untergebracht. Die dort untergebrachten Personen können die Einrichtung sieben Tage im Monat nutzen, davon je nur drei Nächte bzw. Tage in Folge. Dabei nutzen Frauen und Männer getrennte Wohncontainer. Im alternativen Unterkunftsbereich wird der Unterbringungsbedarf von Menschen gedeckt, die bereits die bestehenden regulären Hilfsangebote in Anspruch genommen haben und auf Grund multipler Hemmnisse (psychische Beeinträchtigungen, Suchterkrankungen, hohes Konfliktpotenzial) nicht mehr in Regelunterkünften untergebracht werden können. Insgesamt können auf dem Gelände 35 Übernachtungsplätze angeboten werden. Eine erste Evaluation im November hat gezeigt, dass das Angebot gut angenommen wird, insbesondere auch von Frauen. Wir haben daher beschlossen, dass Angebot für einen weiteren Zeitraum von drei Jahren fortzusetzen.

Wie wir alle wissen, ist der Wohnungsmarkt in Bielefeld mehr als angespannt. Dies gilt insbesondere für den sozialen Wohnungsbau. Günstige Mietwohnungen sind kaum noch zu finden. Dieses Problem trifft besonders auch Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. Die Kosten der Unterkunft, die Leistungsbezieherinnen vom Bund und der Stadt erhalten, reichen daher nicht mehr aus. Immer mehr Menschen müssen von ihrem Arbeitslosengeld II oder der Sozialhilfe Zuzahlungen für ihre Miete vornehmen. Dies ist für uns nicht mehr tragbar gewesen. Es ist deshalb gut, dass es ab Jahresbeginn 2019 neue Regeln für die Kosten der Unterkunft gibt. Jobcenter und Sozialamt übernehmen dann für Leistungsbezieher*innen mehr Mietkosten. Die Regeln für die Kostenübernahme werden damit der Realität des Bielefelder Wohnungsmarkts angepasst.

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Die Zahl der Menschen, die aus dem Arbeitslosengeld II oder der Sozialhilfe für die Miete zuzahlen müssen, wird deutlich sinken. Auch Menschen, die in Frauenhäusern, in Wohnungsloseneinrichtungen oder in Behinderteneinrichtungen leben, werden es leichter als bisher haben, bezahlbare Wohnungen zu erhalten. Das ist ein großer Erfolg, an dem wir lange in Zusammenarbeit mit unseren Koalitionspartnern gearbeitet haben. Bereits 2017 haben wir Erleichterungen bei der Übernahme der Kosten beschlossen, jetzt gehen wir einen noch größeren Schritt. Diese Neuregelung kostet rund fünf Millionen Euro.

Bessere Regelungen der Kosten der Unterkunft sind wichtig, damit mehr Menschen in Bielefeld bezahlbaren Wohnraum erhalten. Das allein wird aber nicht ausreichen. Genauso wichtig ist der verstärkte Wohnungsbau, um die angespannte Lage am Wohnungsmarkt zu verbessern. Aktuell entstehen viele neue Wohnungen. Was die Bielefelderinnen und Bielefelder aber besonders brauchen, sind bezahlbare Mietwohnungen - vor allem mehr geförderten Wohnraum. Daran werden wir in den Ausschüssen und im Rat auch weiterhin arbeiten. Unser Ziel ist bezahlbarer Wohnraum für alle Bielefelderinnen und Bielefelder.

Jahresrückblick Teil 1: Regine Weißenfeld

Das Jahresende ist auch immer die Zeit, Bilanz des ablaufenden Jahres zu ziehen und zu (hinter-) fragen: Was waren die Themen, die uns im Jugendhilfeausschuss besonders beschäftigt haben? Welche Weichen haben wir für die nächste Zeit gestellt?

In den 8 Jugendhilfeausschuss-Sitzungen dieses Jahr haben wir eine ganze Menge Themen bearbeitet, unter anderem Ziele und Maßnahmen für ein Soziales Bielefeld, die Richtlinien zur Förderung der Mädchenarbeit, die Förderung von Jungenarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe, Inklusion in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, das Konzept für Diversität, Partizipation und Integration, die Zugänglichkeit von Spielflächen an Schulen außerhalb der Schulzeiten, und nicht zuletzt die Ausbildungssituation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Auf zwei Themen möchte ich hier besonders eingehen. Zum einen die Situation der Kindertagesstätten und zum anderen die Beteiligung von Jugendlichen an politische Prozessen. 

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Kindertagesstätten

Das 2014 eingeführte trägerübergreifende DV-Verfahren LITTLE BIRD sollte insbesondere eine Vereinfachung bei der Suche von Kitaplätzen ermöglichen, sowie eine größere Transparenz bei der Vormerkung und Reservierung von Plätzen darstellen. Bei den Anwendern stieß das PC-gesteuerte Programm immer wieder auf viel Verärgerung. Zu störanfällig war das System in den Anfängen, versprochene Möglichkeiten zur Nutzung des Systems erwiesen sich als Irrtum. Erst seit 2018 läuft das Programm rund. Da die Stadt Bielefeld die größten Vorteile dieses System hat stellt sich die Frage, sollen die Träger bei der Finanzierung anteilig herangezogen werden. Die SPD-Ratsfraktion hat sich hier eindeutig positioniert und möchte, dass die Träger sich nicht an den Kosten beteiligen müssen. Eine Entscheidung hierzu wird im März 2019 im Jugendhilfeausschuss getroffen. Dabei müssen wir noch einige Überzeugungsarbeit bei unseren Koalitionspartnern leisten.

 Bielefeld wächst. Dies wird auch bei den Bedarfen an Kindertagesplätzen deutlich. In der ganzen STadt sind gerade 11 neue Kitas entweder in Planung oder schon im Bau. Das umfasst alle Stadtbezirke bis auf Gadderbaum. Bei der Trägervergabe konnten alle bekannten Bielefelder Träger von Kitas berücksichtigt werden. Wichtig ist auch weiterhin, dass wir für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erzieher sorgen. Eine zusätzliche Ausbildungs-Klasse am Maria-Stemme-Kolleg ist daher weiterhin von Nöten, so dass wir die notwendigen Fachkräfte für Bielefelder Kitas auch bereitstellen können. Der Arbeitsmarkt von diesen wichtigen Fachkräften wird auch in Bielefeld eng.

 Mit unserem Ratsantrag Ende 2017 haben wir dafür gesorgt, dass die Mittel des Landes zur Umsetzung des „Gesetztes zur Rettung der Trägervielfalt“ nicht für den Haushaltsausgleich genutzt wurden, sondern dieser Betrag in die Qualitätsverbesserung investiert wurde z.B. zusätzliches Personal für die Mittagsverpflegung, zusätzliche Berufspraktikantinnen, Vertretungspersonal.  

Ein Parteitagsbeschluss der Bielefelder SPD besagt, dass der Kita-Besuch für alle Eltern beitragsfrei werden sollte. Grundsätzlich stehen wir auch hinter diesem Ziel. Für den städtischen Haushalt würde dies allerdings in diesem Jahr Aufwendungen von ca. 12. Mio. Euro bedeuten. Eine freiwillige Leistung, die wir zurzeit leider nicht leisten können.

Dennoch sind wir mit unserem Antrag am 5.9. im Jugendhilfeausschuss einen Schritt weitergekommen. Der Antrag besagt, dass die Elternbeiträge für die Kindertagespflege und Kindestageseinrichtungen in der Einkommensstufe zwischen 17.501 und 24.542 Euro ab dem 1.8.1019 abgeschafft werden, ein Beitrag wird somit erst ab einem Jahreseinkommen ab 24.543 Euro erhoben. Mit der Geschwisterregelung, dem letzten beitragsfreien Kindergartenjahr müssen jetzt für weit über 50 % aller Kinder die Eltern in Bielefeld keine Beiträge mehr für den Kita-Besuch zahlen.  

Beteiligung von Jugendlichen

In verschiedenen Vorbereitungstreffen war es uns gelungen, federführend am 11. April 2018 einen parteiübergreifenden Antrag in den Jugendhilfeausschuss einzubringen. Dieser besteht aus 3 Teilen:

  1. Mitarbeit im Jugendhilfeausschuss: Jugendliche im Alter von 14-18 Jahren sollen einen Sitz als Beratendes Mitglied im Jugendhilfeausschuss bekommen, analog zum Schul- und Sportausschuss. Die beratende Mitgliedschaft der Jugendlichen soll durch einen festen Ansprechpartner/partnerin des Jugendamtes organisatorisch und inhaltlich unterstützt bzw. begleitet werden.

  2. Politische Bildung: mit einem von der Fachverwaltung erstellen Konzept „Politische Gremienarbeit der Stadt Bielefeld“ sollen Kommunalpolitiker und -politikerinnen den jungen Menschen in Schulen und in Organisationen der Jugendhilfe kommunale Arbeit näherbringen.

  3. Politische Teilhabe: mit Unterstützung des Bielefelder Jugendringes sollen Jugendliche unterstützt werden, eigene Projekte zu initiieren und durchzuführen. Die notwendigen Mittel sollen ab 2019/2020 dafür zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollen bei den INSEK-Projekten Budgets für Jugendbeteiligung vor Ort zur Verfügung gestellt werden.

Internationaler Tag für Toleranz 2018: So denken unsere Ratsmitglieder

Seit 1996 wird an jedem 16. November auf der ganzen Welt der “Internationale Tag für Toleranz” gefeiert. Angesichts von offen fremdenfeindlichen Staatsoberhäuptern, völkisch-nationalistischen PolitikerInnen in unseren Parlamenten und Nazi-Aufmärschen in unserer wunderbaren Stadt war die gesellschaftliche Debatte über Toleranz und die Grenzen der Toleranz selten so aktuell wie zurzeit. Das haben wir zum Anlass genommen, einmal bei einigen unserer Ratsmitglieder nachzufragen, was sie dazu zu sagen haben.

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Tolerant zu sein bedeutet für mich, eine große Unvoreingenommenheit und Offenheit gegenüber anderen Meinungen und bisher Unbekanntem. Egal ob es um Herkunft, Lebensform oder Andersdenkende geht. Meinungsfreiheit, Menschenwürde, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit sind dabei die Kriterien für meine Toleranz.
Für ein friedliches Zusammenleben in unserer Gesellschaft, wird Toleranz und daraus folgend
Akzeptanz immer wichtiger.
— Karin Schrader
Für mich setzt Toleranz voraus, dass man die Menschen in ihrer Vielfalt und Andersartigkeit respektiert. Nur so kann die unterschiedlichen Meinungen und Verhaltensweisen von Menschen toleriert werden. Ich darf mich aber auch über andere Meinungen und Verhalten ärgern. Dabei muss in der Auseinandersetzung immer klar sein, dass ich mein Gegenüber nicht niedermache, demütige oder beschäme. Ein großer Anspruch, der nicht immer gelingt aber immer das Ziel sein muss. Toleranz heißt, mein Gegenüber mitmenschlich, respektvoll und fair zu begegnen. Und ihm auch zuhören.
— Regine Weißenfeld
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Bei persönlichen Beschimpfungen, sowie Beschimpfungen von anderen Personen und bei Gewalt sind für mich die Grenzen der Toleranz erreicht.
— Doris Brinkmann
Wünsche ich mir mehr Toleranz in unserer Gesellschaft? Ja, unbedingt! Wir sollten toleranter zu Menschen mit anderem kulturellen Hintergründen sein. Das schließt natürlich auch andere Glaubensrichtungen mit ein. Viel mehr Toleranz wünsche ich mir auch gegenüber Menschen, die uns erst einmal fremd sind, weil wir sie noch nicht solange kennen. Auch Kindern, alten Menschen und Menschen mit besonderen Auffälligkeiten sollten wir viel mehr Toleranz und Achtung entgegenbringen.
— Ole Heimbeck
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Toleranz endet für mich, wenn gelogen wird, bewusst Ängste geschürt werden, andere Menschen bewusst verletzt oder verhöhnt werden.
— Frauke Viehmeister
Unsere Gesellschaft könnte definitiv toleranter sein, insbesondere in der gesellschaftlichen Akzeptanz von anderen sexuellen Orientierungen wie die Heterosexualität oder gegenüber anderen religiösen oder nicht religiösen Vorstellungen als dem Christentum.
Mehr Toleranz wünsche ich mir auch gegenüber Menschen mit Fluchterfahrung und Menschen, die finanziell am unteren Rand der Gesellschaft stehen (z.B. Obdachlose Menschen oder Transferhilfeempfänger). Hier sind, glaube ich, die Wurzel allen Übels Verallgemeinerungen und das Verbreiten dieser durch rechte politische Gruppierungen.
Ich würde mir aber auch wünschen, dass die Gesellschaft nicht nur toleranter wird, sondern dass Intoleranz nicht länger als Kavaliersdelikt geduldet wird. Intoleranz sollte sowohl gesellschaftlich bekämpft, als auch strafrechtlich verfolgt und härter bestraft werden.
— Stefan Pieplau
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Rede von Thomas Wandersleb zu TOP 5 „Aufnahme minderjähriger unbegleiteter Geflüchteter aus Seenot“ der Ratssitzung am 27. September 2018

Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

es wird Sie nicht verwundern, dass wir dem Vorschlag des Oberbürgermeisters zustimmen und dass wir ihm auch dankbar sind, dass er diesen auf den Weg gebracht hat.

Ich möchte zunächst erklären, worum es eigentlich geht und halten sie es mir nach: ich habe mich schon zweimal zu diesem Thema geäußert. Von daher will ich mich auf wenige wichtige Punkte beschränken, und Sie erlauben mir, Herr Oberbürgermeister, dass ich auch ein paar grundsätzliche Sätze sage.

Also, worum geht es? Es geht darum, dass wir den Oberbürgermeister beauftragen, Bundes- und Landesregierung mitzuteilen, dass wir bereit sind, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Und es geht darum, dass die Verwaltung beauftragt wird, notwendige Kapazitäten für diese Aufnahme zu organisieren.

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Ich glaube nicht, dass der Brief der Aktivisten der Aktion Seebrücke den Oberbürgermeister erst auf den Weg gebracht hatte. Ich glaube, wir alle haben mit diesem Gedanken schon gespielt, aber ich bin dankbar, dass wir diesen Brief als einen deutlichen Anstoß bekommen haben. Er ist am 8. August geschrieben worden, er ist bei uns wenige Tage später eingegangen und zwar – das sage ich deutlich – bei allen Fraktionen. Es hätten alle reagieren können, und der Oberbürgermeister hat reagiert.

Einen „Akt der Humanität“ hat es Frau Schmidt (Vorsitzende Fraktion „Die Linke“) genannt. Ich sage, es ist erstmal ein Signal, ein deutliches Zeichen. Vielleicht auch ein Fingerzeig, ein Symbol nach außen und auch nach innen. Bielefeld ist bunt und weltoffen und will dies auch bleiben. Bielefeld will eine andere Flüchtlingspolitik, das ist in dem Schreiben an die Bundeskanzlerin zu lesen. Bielefeld will Menschen Hilfe anbieten, die aus Lebensgefahr gerettet wurden.

Die Gegenargumente haben wir schon gehört: Schlepper werden ermutigt, es sei ein Wahlkampf-Manöver, nicht abgesprochen, die Kapazitäten werden in Frage gestellt, die europäische Flüchtlingspolitik wird damit nicht geändert.

Lassen sie mich beim letzten Argument anfangen. Das war, glaube ich, nie die Intention. Wir würden uns ja überheben, wenn wir glauben, als Bielefeld – das bei manchen ja gar nicht existiert – die europäische Flüchtlingspolitik ändern zu können. Aber mit diesem Symbol können wir deutlich machen, dass wir mit ihr nicht einverstanden sind.

Schlepper werden ermutigt, durch die Zustände vor Ort, nicht durch das Zeichen Bielefelds. Schlepper werden ermutigt durch die europäische Flüchtlingspolitik, nicht durch den Akt der Humanität, den wir hier auf den Weg bringen wollen. Und Schlepper werden ermutigt durch ein immer noch nicht vorhandenes Einwanderungsgesetz, zu dem wir uns nun endlich durchringen müssen. [klatschen]

Ich sagte es schon: Jede und jeder hätte reagieren können, der Oberbürgermeister hat reagiert. Und jetzt zu sagen, es wäre ein Wahlkampf-Manöver, finde ich doch sehr einfach vor dem Hintergrund des Gewichts des Inhalts. Außerdem: würde es etwas an dem Akt der Humanität ändern, wenn es ein Wahlkampf-Manöver wäre? Lassen Sie mich das mal so rhetorisch fragen – ich glaube nicht.

Und deswegen werbe ich immer noch auch um die Unterstützung derjenigen, die aus diesen Gründen es ablehnen. Was die Kapazitäten angehen – Frau Schmidt hatte es gesagt – wir haben 2015 die Zuwanderung gestemmt durch die Hilfe vieler Ehrenamtlicher, vieler Aktionen, für die wir dankbar sind. Wir werden es auch diesmal stemmen. Und wir müssen uns klar sein: Es gibt keine Flüchtlingsschwemme, sondern es gibt Menschen, die kommen. Und Frau Schmidt hat es auch gesagt: Niemand flüchtet aus seinem Land ohne einen guten Grund. [klatschen]

Die europäische Flüchtlingspolitik wird durch dieses Zeichen nicht geändert, aber ein Zeichen, ein Signal, ein Fingerzeig bleibt, an dem sich vielleicht auch unsere Politikerinnen und Politiker in Europa, aber auch im Bund und im Land orientieren können.

Nun noch ein paar grundsätzliche Sätze. Am 1. Juli 1969 wurde, vor fast 50 Jahren, Gustav Heinemann vereidigt und in seiner Rede zu seinem Amtseid hat er folgende Worte gesagt: „Wir stehen erst am Anfang der ersten wirklichen, freiheitlichen Periode unserer Geschichte. Freiheitliche Demokratie muss endlich das Lebens-Element unserer Gesellschaft werden. Nicht weniger, sondern mehr Demokratie, das ist die Forderung. Das ist das große Ziel, dem wir uns alle und zumal die Jugend zu verschreiben haben. Es gibt schwierige Vaterländer, eines davon ist Deutschland.“ Leider wird der letzte Satz dieses Zitates immer weggelassen, der lautet nämlich: „Aber es ist unser Vaterland.“

Es ist das Ziel dieser Initiative des OB ein Zeichen gegen die Abschottung zu setzen, für Menschenrechte einzutreten, an den Artikel 1 des Grundgesetzes zu erinnern, um deutlich zu machen: wir lassen uns von anderen unser Vaterland, unsere freiheitliche Demokratie nicht wegnehmen.

Alle nachfolgenden Regierungen, von welchen Parteien sie auch getragen wurden, haben sich diesem Motto „mehr Demokratie wagen“ verpflichtet gefühlt. Der Soziologe Armin Nassehi stellt fest: dadurch haben sich sogenannte Inklusions-Schübe entwickelt. Gruppen, die vorher nicht viel zu sagen hatten, wurden in die Gesellschaft integriert, ihnen wurde durch Bildungsexpansion zu sozialem Aufstieg verholfen, sie erreichten zu kulturelle Teilhabe. Arbeiter und Arbeiterinnen, Frauen, sexuelle Minderheiten, sogenannte ethnische Fremde. Heute ist unverkennbar, dass wir in unserer Gesellschaft, in unserm Vaterland, Schwierigkeiten haben, mit dem Inklusions-Schub, der Zuwanderung umzugehen. Darum gilt es, Zeichen und Signale zu setzen, dass wir unsere Demokratie mit allen Möglichkeiten verteidigen.

Der Philosoph Gadamer sagt, „Bildung ist die Fähigkeit, die Welt aus der Perspektive des Anderen zu sehen“. Das ist, glaube ich, der Weg, wie wir heute das Gespräch und die Auseinandersetzung suchen müssen. Lassen Sie mich zum Abschluss aus dem Brief des Oberbürgermeisters zitieren: „Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken, während sich die europäischen Länder nicht über Aufnahmequoten und Zuweisungs-Verfahren einigen können. Bielefeld steht zu den Grundfesten unseres Zusammenlebens. Dazu gehören Humanität, das Recht auf Asyl und auch das Gebot zu Hilfeleistung, wenn sich ein Mensch in Not befindet. Bielefeld kann einen aktiven Beitrag, grade für die besondere Gruppe der Kinder oder Jugendlichen leisten, die als Flüchtlinge in Seenot geraten sind.“

In diesem Sinne bitte ich Sie, diesen Antrag zu unterstützen.

Ich danke Ihnen.

 
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Thomas Wandersleb ist schulpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion, Jugendpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Bielefeld und kommt aus Baumheide.

5 solidarische Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut
Titel 5 Solidarische Massnahmen

„Wir wollen eine solidarische Stadtgesellschaft, die sich sozial und inklusiv versteht. Ausgrenzung durch Armut, Behinderung sowie Arbeitslosigkeit ist mit einer zukunftsfähigen Stadtgesellschaft unvereinbar.“

Bereits im Koalitionsvertrag 2015 hat die Paprika-Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Bürgernähe/PIRATEN deutlich gemacht, dass die Bekämpfung der Armut und die Verbesserung der Teilhabe armer Menschen in Bielefeld zentrale Ziele ihrer Politik und unabdingbar für eine solidarische Stadtgesellschaft sind.
Die im Januar 2018 vorgestellte „Fortschreibung des Berichts Lebenslagen und Soziale Leistungen 2016“ weist für Bielefeld im Jahr 2016 einen Anteil von 14,0% an Personen aus, die Leistungen nach dem SGB II erhielten. Rechnerisch war somit jede/r siebte Bielefelder/in auf Transferleistungen nach dem SGB II angewiesen. Bedürftige, die keine ergänzende Grundsicherung beantragt haben, sind hierbei noch nicht berücksichtigt.

Besonders stark betroffen ist die Gruppe der unter 15-Jährigen mit 22,9%. Diese Zahl ist in den letzten Jahren stetig angestiegen: Im Jahr 2011 betrug sie noch 20,0%. In absoluten Zahlen bedeutet das, dass fast 11.000 Kinder in Haushalten leben, die auf Transferleistungen angewiesen und somit von einer sozialen und/oder materiellen Risikolage betroffen sind. Die meisten dieser Kinder leben in Haushalten von Alleinerziehenden (56,6%).

Auch ältere Menschen sind häufig von Armut betroffen: Die Zahl der Menschen, die Grundsicherung im Alter (65 Jahre und älter) beziehen, ist zwischen 2011 und 2016 um 0,8%-Punkte auf nun 4,1% gestiegen. Insgesamt bezogen 2016 2.753 Menschen Altersgrundsicherung. Diese Zahlen machen deutlich, dass wir den Kampf gegen die Armut in unserer Stadt weiter verstärken müssen. Die Paprika-Koalition wird daher ein umfangreiches Paket zur Armutsbekämpfung auf den Weg bringen, mit dem spürbare Entlastungen für Menschen im SGB II-Bezug bzw. in der Grundsicherung umgesetzt werden sollen.

Uns ist dabei bewusst, dass der kommunale Einfluss auf die soziale Lage der genannten Gruppen begrenzt ist und das finanzpolitische Ziel, die Handlungsfähigkeit der Stadt durch einen genehmigungsfähigen Haushalt zu erhalten, neuen Ausgaben Grenzen setzt. Dennoch sind wir der Überzeugung, dass es notwendig ist, dem zunehmenden Auseinanderdriften der Stadtgesellschaft etwas entgegenzusetzen. Dazu haben wir 5 Maßnahmen entwickelt, die gerade den Menschen, die bislang kaum oder gar nicht von der verbesserten Wirtschaftslage profitieren konnten, bessere Möglichkeiten geben, die negativen Folgen ihrer prekären Lebenssituation zu verringern: 

1) Bildung

Wir werden die Elternbeiträge für die Kindertagespflege und die Kindertageseinrichtungen in der Einkommensstufe zwischen 17.501 und 24.542 Euro ab dem 01.08.2019 abschaffen. Zukünftig wird somit erst ab einem Jahreseinkommen ab 24.543 Euro ein Beitrag erhoben, dies führt zu einer Entlastung insbesondere für Alleinerziehende. Die Schulkramkiste, die Schulmaterialien an bedürftige Grundschulkinder verteilt, werden wir in den Jahren 2019-2021 mit jährlich jeweils 10.000 Euro unterstützen.

Zudem werden wir im Haushalt 2019 30.000 Euro für die Einrichtung von „Sachmittelkisten“ an den 26 Grundschulen mit BuT-Schulsozialarbeit bereitstellen. Im Kulturausschuss werden wir beantragen, dass ab 2019 alle Grundschulkinder im Klassenverbund freien Eintritt in das Naturkunde- und das Historische Museum der Stadt haben sollen. Prüfen lassen wollen wir, wie wir die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Bielefeld-Pass durch weitere Maßnahmen fördern können. Wir denken dabei insbesondere an Eintrittsgelder für Schwimmbäder oder Kultureinrichtungen. Und auch eine Erleichterung des Zugangs zu BuT-Mitteln durch Entbürokratisierung des bisherigen Verfahrens wollen wir prüfen. Hierzu werden wir entsprechende Anträge in die Ausschüsse einbringen.

2) Wohnen

Mit Blick auf den sehr angespannten Wohnungsmarkt ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach günstigem Wohnraum und damit die im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlenden Mieten weiter steigen werden. Wir werden daher die bisherigen Regelungen zu den Kosten der Unterkunft, die im Rahmen der Transferleistungen als angemessen anerkannt werden, verändern. Die Richtlinien für die Übernahme der angemessenen Mietkosten sollen mit Hilfe eines Gutachters überarbeitet und an die Rahmenbedingungen des angespannten Wohnungsmarkts angepasst werden. Im Haushalt für 2019 sind dafür 5 Millionen Euro vorgesehen. Zudem wollen wir prüfen lassen, inwieweit eine Übernahme von Mietkautionen für KdU-Berechtigte durch die Stadt Bielefeld erfolgen kann. Einen entsprechenden Antrag werden wir im Oktober in der Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses einbringen.

3) Arbeit

In der Ratssitzung am 07.06.2018 haben wir auf Antrag der Paprika-Koalition beschlossen, eine kommunale Strategie für das neue Bundesprogramm zur Integration von Langzeitarbeitslosen („Teilhabe am Arbeitsmarkt für Alle – 150.000-Stellen-Programm“) erarbeiten zu lassen. Ziel muss es sein, möglichst viele Langzeitarbeitslose in Beschäftigung zu bekommen. Die Verwaltung arbeitet gemeinsam mit der REGE und dem Jobcenter an der Umsetzung, wir werden das weiter eng begleiten.   

4) Sicherheit

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss hat in seiner Sitzung am 10.04.2018 auf Antrag der Paprika-Koalition eine Nachbetreuung der Frauen nach Auszug aus dem Autonomen Frauenhaus mit 10 Stunden pro Woche beschlossen. Dadurch ist nun in jedem der beiden Bielefelder Frauenhäuser ein sicherer Start der Frauen in einen neuen Lebensabschnitt möglich, Wohnungslosigkeit und ein längerer Verbleib im Transferbezug werden verhindert. 

5) Bürgerfreundliche Verwaltung

Die Koalition setzt sich für eine bürgerfreundliche Verwaltung ein. Die Aufklärung über Leistungsansprüche sollen insbesondere für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen weiter verbessert werden, es soll kein Hin- und Herschieben von Verantwortlichkeiten mehr geben. Einen entsprechenden Antrag wird die Koalition in den Sozial- und Gesundheitsausschuss einbringen.