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Tag der Kinderbetreuung: Familien in der Coronakrise

Puzzeln, vorlesen, Memory spielen, Videokonferenzen, berufliche Telefonate, kochen, waschen, einkaufen, Denkarbeit, verstecken spielen, trösten, kuscheln, E-Mails schreiben - kommt euch das bekannt vor? 

Anschließend an den gestrigen Tag der Kinderbetreuung berichtet Judith Wend hier mal aus der Perspektive derer, die seit Wochen versuchen müssen, Homeoffice und Kinderbetreuung und alle anderen Aufgaben, die zu Hause so anfallen, zu vereinbaren. So wie ihr und ihrem Mann geht es im Moment unzähligen #coronaeltern und ist auch Ausdruck davon, wie unsichtbar private Sorgearbeit, die immer noch überwiegend von Frauen erledigt wird, eigentlich ist. Wir müssen also weiter kräftig politische Stellschrauben drehen, damit diese Arbeit aufgewertet und zwischen Männern und Frauen gerechter verteilt wird:

Am 11. Mai ist der Tag der Kinderbetreuung. Es beginnt die 9. Woche, in der die Kita für den Großteil der Kinder geschlossen bleibt und sie komplett zuhause betreut werden. Gerade wurde bekannt, dass das bei uns in NRW auch erstmal so bleiben wird. Was macht das mit Familien, für deren Alltag professionelle Kinderbetreuung „systemrelevant“ ist? 

Meine Töchter sind fünf und zwei Jahre alt, mein Mann und ich arbeiten beide in „nicht systemrelevanten“ Berufen. Wie so viele Familien haben wir vom Sprintmodus schon lange in den Marathonmodus umgeschaltet, aber auch uns geht langsam die Puste aus. Dabei haben wir wirklich Glück; wir haben zuhause genug Platz und sogar einen Garten. Mein Mann und ich können größtenteils von zuhause arbeiten und die Kinder haben immerhin einander. Und trotzdem: Puzzeln, vorlesen, Memory spielen, Videokonferenzen, berufliche Telefonate, kochen, waschen, einkaufen, Denkarbeit, verstecken spielen, trösten, kuscheln, E-Mails schreiben - den Anforderungen zweier Kinder in unterschiedlichem Alter gerecht zu werden, Leistung im Job zu bringen und zuhause nicht im Chaos zu versinken, ist gleichzeitig einfach nicht möglich. Bei uns werden exklusive „Arbeitszimmerzeiten“ mittlerweile hart verhandelt und im Kalender festgehalten, die Nächte werden länger, die Kinder werden unzufriedener, der Druck und das schlechte Gewissen wachsen. Wenn jetzt noch wirtschaftliche Sorgen oder Homeschooling dazu kämen…na dann gute Nacht! 

Kinder und Eltern verdienen Solidarität

Für mich sind die WhatsApp-Gruppen der Kitaeltern gerade ein guter Indikator für die Stimmung in anderen Familien. Nachdem von NRW Familienminister Stamp der Kita-Öffnungsplan vorgestellt wurde, sind diese Gruppen geradezu explodiert. Ungläubigkeit, Verzweiflung, Wut. Überall wird großzügig gelockert, für die meisten Familien bleibt auf absehbare Zeit alles wie es ist. Solange meine Kinder weder im Möbelhaus noch im Biergarten oder im Fitnessstudio betreut werden können während ich arbeite, finden die Lockerungsschritte völlig entkoppelt von meiner Lebenswirklichkeit als Mutter statt. Bundesliga gucken die Kinder übrigens leider auch nicht. Ich höre von vielen Eltern, dass sie sich alleine gelassen fühlen und wir alle haben den Eindruck, dass unsere Interessen und die Interessen unserer Kinder bei den Abwägungsprozessen zu Lockerungen kaum Gewicht haben. Es gibt viele Kinder, die gerade wirklich leiden und nicht die Aufmerksamkeit und Förderung bekommen, die sie brauchen. Für mich ist es geradezu absurd, dass ich ab dem 30. Mai mein Handballtraining wiederaufnehmen darf - mit Vollkontakt und in der Halle - bevor unsere Kinder auch nur einen Tag in die Kita durften.   

Familien brauchen jetzt konkrete Unterstützung. Dass Pit Clausen seinen Handlungsspielraum genutzt hat und den Bielefelder Familien sofort die Kitagebühren erlassen hat, war gut. Der Notfall-Kinderzuschlag war eine wichtige Sofortmaßnahme. Aber was ist mit einem generellen Zuschuss für Familien, der z.B. mit dem Kindergeld ausgezahlt wird? Einkommensausfälle setzen besonders Familien mit kleinem- und mittlerem Einkommen gerade stark unter Druck und es fallen einfach mehr Kosten an, wenn keine öffentlichen (Betreuungs-) Angebote mehr wahrgenommen werden können. Was ist mit einem Corona-Elterngeld wie es von Ökonom*innen des DIW gefordert wird? Es muss Eltern jetzt möglich sein, die Arbeitszeit zu reduzieren - bei gleichzeitigem Lohnersatz und Kündigungsschutz. Es wird gerade viel von Solidarität gesprochen. Viele Familien fragen sich mittlerweile: Wo ist eigentlich die Solidarität mit uns? 

Private Carearbeit muss sichtbarer und gerechter verteilt werden

Die geringe Priorisierung von Kinderbetreuung bei den Lockerungsschritten legt gerade gnadenlos offen, dass private Carearbeit gesellschaftlich immer noch unsichtbar ist und nicht als das angesehen wird, was sie ist: Nämlich Arbeit, nur eben unbezahlt. Wie hätte sonst jemand auf die Idee kommen können, dass man sie monatelang mal eben so nebenbei zur normalen Erwerbsarbeit erledigen kann?

Schon vor Corona wurde die Carearbeit in Familien überproportional von Frauen geleistet. In der Krise verstärkt sich nun diese Tendenz. Bevor der Laden unter der Mehrbelastung komplett zusammenbricht, konzentriert man sich auf die eingeübte Rollenverteilung: Der Mann ist für die Erwerbsarbeit zuständig und sichert das Haushaltseinkommen. Die Frau übernimmt Haushalt und Kinderbetreuung und steckt beruflich zurück. Für Frauen bedeutet das: Weniger Gehalt, geringere Rente, verminderte Karrieremöglichkeiten. Es wird schwierig sein, dies nach Corona einfach so wieder zurück zu drehen. WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger befürchtet gar, dass wir drei Jahrzehnte im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit verlieren. 

Umso wichtiger ist es gerade jetzt, strukturelle Rahmenbedingungen zu schafften, damit partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Carearbeit in Zukunft leichter wird. Wir müssen daran arbeiten, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Der Anteil von Frauen in systemrelevanten Berufen beträgt 75%. Eine Aufwertung dieser Berufe durch bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen wäre ein guter Anfang. Das Ehegattensplitting gehört endlich abgeschafft, damit die traditionelle Arbeitsteilung nicht länger steuerlich incentiviert wird. Viele Familien wünschen sich eine Familienarbeitszeit. Beide Elternteile würden dann zu gleichen Teilen Stunden von ihren Vollzeitjobs reduzieren und ein Familiengeld federt die finanziellen Einbußen ab. Und die wichtigste Voraussetzung für eine gerechtere Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit in Familien vor, während und nach Corona: Eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige und kostenfreie Kinderbetreuung. 

- Judith Wend

Regina Kopp-Herr zum FDP-Antrag "Rasenmäher statt RasenmäherIn – unsere Sprache nicht verrenken!"

Die Bielefelder Landtagsabgeordnete Regina Kopp-Herr sprach in der Antragsberatung am 10.11.2016 offen gegen den von der FDP-Fraktion vorgebrachten Antrag " Rasenmäher statt RasenmäherIn – unsere Sprache nicht verrenken!" aus. In diesem fordert die FDP-Fraktion dazu auf, auf eine verpflichtende geschlechtergerechte Sprache in öffentlichen Institutionen zu verzichten, da diese nicht zu dem Ansinnen der Gleichstellung der Geschlechter beitrüge (Lesen Sie den gesamten Antrag hier).

Regina Kopp-Herr, der das Thema 'Gleichstellung' nicht nur als Sprecherin des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation besonders am Herzen liegt, äußerte sich im Plenum gegenüber dem Antrag deutlich kritisch:

Ich weiß nicht wie es Ihnen geht; wenn ich morgens meine Tageszeitung lese, und mir begegnen Politiker, Bürger, Erzieher......dann frage ich mich: Wo bleibe ich hier eigentlich? Ich komme nicht vor, denn ich bin weder Politiker, noch Bürger und auch nicht Erzieher. Ich bin Politikerin, Bürgerin, keine Erzieherin, das ist der Beruf meiner ältesten Tochter. Ich bin kein Mann, sondern eine Frau. Und genau so wird es den Menschen ergehen, die sich keinem Geschlecht zuordnen. Sie kommen gar nicht erst vor. Das als Vorbemerkung.

Liebe FDP! Ihr Antrag ist sowohl lächerlich, als auch überflüssig! Sie beziehen sich u.a. auf die genauso lächerlichen Vorschläge der linken Jugend aus Flensburg, Büromaterialien sprachlich zu gendern. Der Antrag fand, Gott sei dank, auch bei den eigenen Leuten der Linken in Flensburg keine Mehrheit. Er fand aber "lächerliche" Aufmerksamkeit dort im Rathaus.


Der FDP Antrag, ebenso der Antrag der linken Jugend Flensburg erweisen der Entwicklung, Anwendung und Akzeptanz einer geschlechtergerechten und geschlechterbewussten Sprache einen Bärendienst. Sie geben Sie der Lächerlichkeit und Nichternsthaftigkeit preis. Das können wir nicht hinnehmen.

Gott sei dank gibt es aber genügend Institutionen wie Universitäten und Hochschulen, Ministerien und Kommunen, die schon lange die Bedeutung und die Wichtigkeit einer geschlechtergerechten Sprach erkannt haben. Ihnen ist klar, dass alle Menschen angesprochen werden wollen. Deshalb ist eine geschlechtergerechte Sprache auch immer eine respektvolle Sprache (Passt ja auch gut zur nächsten Woche).

Das lässt sich in den vielen Handlungsempfehlungen und Leitfäden nachlesen, die es zur Anwendung einer geschlechtergerechten und geschlechterbewussten Sprache gibt. Alle beginnen im Vorwort mit der Erklärung, dass Sprache nicht nur das wichtigste Verständigungsmittel ist, sondern gleichzeitig auch Spiegel unseres Denkens und Bewusstseins. So habe ich viel Sympathie für den Beschluss des Grünen Bundesparteitages 2015, den Gender Star oder das Gendersternchen konsequent anzuwenden. Dadurch und durch das Nutzen von Paarformulierungen, ebenso wie die Möglichkeit der geschlechterneutralen Ausdrucksweise, lassen sich Texte erstellen, in denen sich alle Menschen wieder finden. An die veränderte Lesbarkeit der Texte haben oder werden wir uns schnell gewöhnen, denn Menschen sind ja bekanntlich Gewohnheitstiere. Es sei denn, ich will mich nicht gewöhnen.

Im übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Die Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache ist längst gesetzlich festgeschriebenes Recht in NRW. Im Jahr 2008 hat die Landesregierung eine Broschüre veröffentlicht mit dem Titel: "Gleichstellung von Mann und Frau in der Rechtssprache, Hinweise, Anwendungsmöglichkeiten, Beispiele." Grundlage ist der Paragraph vier des LGG, wie in der Broschüre nachzulesen ist. Die Federführung bei der Erstellung lag beim Justizministerium in Zusammenarbeit mit dem damaligen Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration NRW und dem Innenministerium NRW. Wenn ich es recht erinnere hießen die Ministerin und die Minister Müller-Piepenkötter, Laschet und Wolff. Letzterer ist Mitglied der FDP.

So ist der Antrag unserer Auffassung nach rechtswidrig. Er verstößt gegen geltendes Recht. Die Forderung unter den Spiegelstrichen eins bis drei im Antrag sind damit beantwortet. Zu Spiegelstrich vier ist zu sagen: Es gibt kein Gesetz oder keine Regel, die vorschreibt, das das Nichtverwenden einer geschlechtergerechten Sprache zu Punktabzügen oder Nichtbestehen von Prüfungen bei Hausarbeiten oder Prüfungen von Studierenden führt. Wenn es im Einzelfall zu solchem Vorgehen kommt, liegt das ganz im Ermessen der oder des Lehrenden. Denn wir haben die im Grundgesetz festgeschriebene Freiheit von Forschung und Lehre, die nicht politisch reguliert werden darf. Ich dachte immer das wäre gerade für die FDP ein hohes Gut. Darüber hinaus habe ich mich erkundigt. Dem zuständigen Ministerium liegen keine entsprechenden Angaben Studierender vor.

Wäre es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, tatsächlich um Inhalte gegangen, hätten sie die Überweisung in den Fachausschuss beantragt und keine direkte Abstimmung gefordert, denn dann hätten wir die Chance gehabt, uns vertieft und seriös mit dem Thema "geschlechtergerechten Sprache" auseinander setzen zu können. So hätten wir uns gemeinsam dafür stark machen können, das über den öffentlichen Bereich hinaus, gerade in der Medienlandschaft sich der geschlechtergerechte Sprachgebrauch noch deutlich verbessern kann. Salopp ausgedrückt: Da ist noch jede Menge Luft nach oben.


Wir wollen eine fortschrittliche Politik. Dazu gehört für uns die geschlechtergerechte und geschlechterbewusste Sprache. Wir lehnen den Antrag aus Überzeugung und tiefstem Herzen ab.
Vielen Dank

Der Antrag - Drucksache 16/13311 - wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, GRÜNEN und PIRATEN gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP abgelehnt.