„Mit uns zieht die neue Zeit!“ Die Gründung der SPD Bielefeld vor 150 Jahren

von Joachim Wibbing

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Am 13. Juli 1868 – also vor genau 150 Jahren – wurde die Grundlage für die SPD in Bielefeld gelegt. Die Gründung des „Allgemeinen deutschen Arbeitervereins“, ADAV, durch Ferdinand Lassalle im Jahre 1863 stieß zunächst auf nur geringe Resonanz in Ravensberg und Bielefeld. Doch fünf Jahre später war die Zeit reif dafür.

Die Anfänge

Nach dem Tod der Integrationsfiguren aus dem Vormärz, Dr. Otto Lüning und Rudolf Rempel, und aufgrund des sich mit zunehmender Industrialisierung verschärfenden Konfliktes mit den Unternehmern entstanden eigene politische Interessenvertretungen der Arbeiter in der Region: am 13. Juli 1868 wurde in Bielefeld eine erste „ADAV-Zweigstelle“ gegründet. Minden folgte am 10. September. Diese beiden Gruppen, deren Mitglieder in sehr verschiedenen Branchen arbeiteten, bildeten fortan die Speerspitze der Sozialdemokratie im hiesigen Raum.

Die Vorläufer und die Soziale Frage

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war in unserer Region von der Not und dem Elend der Spinner und Weber geprägt. Aus England kamen Leinenprodukte, die preiswerter und besser als die hiesigen waren.  Die „Frühsozialisten“ Dr. Otto Lüning, der aus Schildesche stammte, und Rudolf Rempel aus Bielefeld prangerten die schlechte Lage der arbeitenden Bevölkerung an. Sie forderten eine Änderung des herrschenden Systems. Diese „Frühsozialisten“ versuchten, das vom Staat zugesagte, aber nicht eingehaltene, Recht auf freie Meinungsäußerung zu verwirklichen und ihre oppositionellen Ansichten dem Volk darzustellen: dies taten sie im „Weser-Dampfboot“, das seit Mitte 1843 erschien. In derselben Zeitung erfolgte ein Aufruf zur „Bildung eines Vereins für die arbeitenden Klassen“. Dazu versammelten sich am 12. Januar 1845 mehrere tausend Weber, Spinner und Handwerker aus Gütersloh, Rheda, Rietberg, Brackwede, Enger, Spenge und Schildesche in Bielefeld. Doch mit dem letztlichen Scheitern der März-Revolution und der einsetzenden Reaktion verebbten diese Bemühungen. So spielte die Arbeiterbewegung bis Ende der 1860er Jahre keine wichtige Rolle mehr in der Region. Erst mit der Bildung von Arbeitervereinen um 1868 setzte dann der unaufhaltsame Aufbau einer weitverzweigten Organisation der Arbeiterschaft ein. Zehn Jahre später bewirkten Attentate auf den Deutschen Kaiser die Sozialistengesetze. Dabei durfte die SPD zwar Kandidaten bei Wahlen aufstellen, aber keine eigentliche Parteiarbeit organisieren. 1890 liefen die Sozialistengesetze aus.

Die „Hottentottenwahl“

Ein ganz besonderer Höhepunkt der Parteiarbeit war das Jahr 1907, als nach der Reichstagswahl der erst 31-jährige Carl Severing in den Reichstag einzog. Nach dem Ende der Sozialistengesetze waren Ende des 19. Jahrhunderts erstmals Abgeordnete der SPD in den Reichstag gewählt worden, 1903 sogar über 80. Den bürgerlichen Parteien war dies ein Dorn im Auge. Was lag da näher, als diesen Wahlausgang bei der nächsten Gelegenheit wieder rückgängig zu machen. Für den Reichskanzler von Bülow bot sich diese Gelegenheit, als es Ende des Jahres 1906 um die zukünftige Kolonialpolitik ging. Sie sollte ausgeweitet, neue Kolonien gewonnen werden. Dagegen hatte sich die Sozialdemokratie ausgesprochen. Die Wortschöpfung „Hottentottenwahl“ stammte übrigens vom „Arbeiterpapst“ August Bebel. Mit Severing (1875-1952) zog erstmals ein SPD-Genosse für Bielefeld in den Reichstag ein. Karl Schreck war seinerzeit – und auch in der Weimarer Republik - der SPD-Exponent auf der örtlichen Ebene.

Die „Machtergreifung“ und der Neubeginn nach 1945

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 sollte natürlich auch ihre Auswirkungen auf Bielefeld haben. Ein wichtiges Ereignis stellte dabei das Verbot der sozialdemokratischen Tageszeitung „Volkswacht“ am 28. Februar 1933 dar. Am Vortag erschien die Volkswacht zum letzten Mal mit einer Schlagzeile, die wie ein Aufschrei, wie eine letzte, verzweifelte Warnung wirkte: „Bielefeld ist rot und bleibt rot! Ihr könnt das Wort verbieten, ihr tötet nicht den Geist.”  Für die SPD begann damit eine Zeit der Verfolgung und Inhaftierung. Nach dem totalen Zusammenbruch des „1000-jährigen Reiches“ im Jahre 1945 waren die SPD-Genossen zur Stelle und gründeten am 26. Oktober die Bielefelder SPD in der Oetkerhalle neu. Zentrale Persönlichkeit wurde Artur Ladebeck, der von 1946 bis 1961 – mit einer kurzen Unterbrechung – als Oberbürgermeister amtierte. Unter seinem Nachfolger Herbert Hinnendahl wurde die Stadt Bielefeld beständig weiterentwickelt. Markante Ereignisse waren dabei der Bau der Universität Ende der 1960er Jahre und der Ausbau des Stadtbahnsystems.

 

Die SPD stellte und stellt einen zentralen politischen Faktor in Bielefeld dar. Um dies zu würdigen, wird die SPD Bielefeld im September eine Publikation herausgeben. Wegen der kurz bevorstehenden Ferienzeit wird es erst am 12. Oktober eine Feierstunde geben, bei der die streitbare Chefin der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, die Festrede halten wird.

 

ParteiKrishen Mertens